Mutterliebe

Sabine treffe ich an einem sonnigen Freitagvormittag in Zehlendorf. Sie öffnet mir die Tür eines zweistöckigen Reihenhauses. Sie lächelt verhalten, wie so oft, wenn wir uns treffen. Seit Jahren kennen wir uns vom Behindertensport, denn ich bin Vater einer geistig schwerbehinderten Tochter.

Sabine führt mich einen kurzen Flur entlang zum Essbereich gegenüber der Küche.

Buchenholzsitzecke, daneben Aquarium, links ein Terrarium. Zwei Stufen hinunter geht es ins offene Wohnzimmer. Mein Blick wandert in den grünen Garten.

Hier nun wird mein erstes Gespräch stattfinden. Hier werde ich die ersten Fotos machen. Ich möchte über Mutterliebe sprechen, im Leben mit geistig schwerbehinderten Kindern. Wie geht das, wie schaffen die Mütter es, ihre Kinder jahrelang zu versorgen, sie zu lieben? Wie lebt man ein Leben, das rund um die Uhr fremdbestimmt ist. Wie blicken sie zurück auf 16, 18 oder 24 Jahre in denen der Ausnahmezustand Normalität ist: Krankenhausaufenthalte, Kämpfe mit der Bürokratie, Ablehnung der Gesellschaft, Familie die sich lossagt oder Ehen die scheitern. Ich möchte ihre Geschichten sichtbar machen.

Sabines Sohn ist 24 Jahre alt. Er ist groß, 1,87 m. Er ist ständig in Bewegung. Was sieht er durch seine Brille? Was versteht er, wenn ich mit ihm spreche? Er kann es mir nicht sagen. Er schaut mich nur an. Wenige Zentimeter von mir entfernt spüre ich dabei seinen Atem in meinem Gesicht. Eins weiß ich jedoch sicher: er mag so einige Dinge, die wir alle genießen. Er liebt es auf dem Trampolin zu springen und zeigt dabei lautstark seine Freude.

In den nächsten Wochen werde ich weitere Mütter treffen und Ihre Geschichten hören. Annette, Jana, Karla, Katja, Manu, Sabine H., Sabine K. meine Frau Jessica und Ralf, der vor Jahren seinen Beruf für die Betreuung seines Sohnes aufgegeben hat.

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